Die Reise
Schon lange hatten wir die Idee, mal im Schottischen Scapaflow den Schiffsfriedhof mit seinen Hinterlassenschaften aus dem 1. Weltkrieg zu betauchen. Hinderungsgründe waren bisher die lange Anreise mit zwei Fährübersetzungen und mehr als 1.600 Kilometern Straße. Außerdem haben die Tauchplätze dort den Ruf schwieriger Tauchbedingungen mit Strömung, kaltem und tiefem Wasser und sehr schlechter Sicht. Nach längerer Planung haben wir diese Tour mit zwei Tauchern nun doch gemacht und sind mit Auto, Wohnwagen und viel Tauchausrüstung auf den Orkney Inseln im äußersten Norden Schottlands angekommen.
Historie
Ein letztes Kapitel des 1. Weltkrieges
An diesem Ort wurde eines der letzten Kapitel des 1. Weltkrieges geschrieben. Die auf Anweisung des Deutschen Kaisers hochgerüstete Deutsche Kriegsflotte kam in den letzten Monaten des Krieges aufgrund der überlegenen Royal Navy kaum noch zum Einsatz. Als die Deutsche Marineführung gegen Kriegsende der Flotte doch noch den Angriff auf die überlegene Britische Flotte befahl, verweigerten die Besatzungen diesen Befehl. Die Seeleute waren nicht mehr bereit, Ihre Leben in einem schon verlorenen Krieg sinnlos zu opfern und bei diesem Selbstmordangriff zu sterben. Dieses Ereignis ging als Matrosenaufstand in die Deutsche Geschichte ein.
Nach Ende des Krieges musste ein Großteil der Deutschen Hochseeflotte auf Anweisung der Siegermächte ins Schottische Scapaflow verlegen um dort interniert zu werden. 71 Schiffe und ihre Besatzungen mussten von Wilhelmshaven aus diese lange Reise antreten. In der geschützten Bucht bei den Orkney Inseln gingen die Schiffe vor Anker. Betrieben wurden sie von einer Minimalbesatzung aus Deutschen Marinesoldaten denen der Besuch anderer Schiffe und auch der Landgang verboten war. Als es zur Gewissheit wurde, dass die Briten die Deutschen Schiffe beschlagnahmen würden, öffneten die Besatzungen der Deutschen Schiffe am 21. Juni 1919 in einer heimlich koordinierten Aktion die Seeventile der Schiffe, was zum Eindringen von Wasser und damit zur Selbstversenkung der Deutschen Hochseeflotte führte.
Heute
Für Dutzende Schiffe wurde Scapaflow damit zu einem der größten Schiffsfriedhöfe der Welt. Viele der Wracks wurden in den folgenden Jahrzehnten gehoben, um an den begehrten, hochwertigen Stahl als Rohstoff zu gelangen. Einige der Schiffe liegen dort aber noch heute.
Tauchschiff
Über das Internet hatten wir nach vielem Suchen ein Tauchschiff gefunden, das zu unserem Wunschtermin freie Kapazitäten hatte. Es handelt sich dabei um die MV Karina mit Skipper John. Eine Ausfahrt beginnt morgens und endet am Nachmittag. Es werden immer zwei Tauchgänge gemacht, entweder zweimal am gleichen Wrack oder es findet ein Positionswechsel zu einem anderen Wrack statt. An Bord gibt es einen Salon zum Aufwärmen, einen Anrödelbereich an Deck und einen Kompressor. Gefüllt wird Luft und auf Wunsch als Nitrox als Dekogas. Besonderen Eindruck hinterlassen hat bei uns der "Aufzug" mit dem die Taucher aus dem Wasser gehoben werden. Dies ist eine Plattform, auf die sich der Taucher im Wasser stellt und die anschließend hydraulisch an Deckgehoben wird. Keine Leiter - kein Klettern. Das ist mit Doppelflaschen oder Stageflaschen sehr viel wert. Von Bord der MV Karina aus haben wir drei Tauchtage gebucht, um auch die lange Rückreise noch stressfrei in unserem begrenzten Urlaub unterzubringen. Die MV Karina wurde übrigens in Deutschland, in Finkenwerder gebaut.
Tauchtag 1
S.M.S. Cöln
Eines der heute noch zu betauchenden Wracks ist die S.M.S. Cöln. Der kleine Kreuzer wurde 1916 als Nachfolger und Ersatz seines Vorgängers, ebenfalls Cöln, in Dienst gestellt. Die vorherige Köln war am 28. August 1914 in einem Seegefecht mit den Briten in der Deutschen Bucht bei Helgoland versenkt worden. Von knapp 500 Besetzungsmitgliedern überlebte nur einer. Das Nachfolgeschiff lag bei Kriegende in Wilhelmshaven und wurde mit dem Rest der Deutschen Flotten nach Scapaflow überführt, dort von den Briten interniert und am 21. Juni 1919 von der Besatzung selbst dort versenkt. Damit sollte verhindert werden, dass dieses und andere Deutsche Schiffe in die Hände des Feindes fielen.
Tauchgänge
Das Schiff liegt heute mit der Steuerbordseite auf Grund in gut 35 Meter Wassertiefe. Die Backbordseite befindet sich in in etwa 25 Meter Tiefe. Das Wasser war bei unseren Tauchgängen 12 Grad kalt, da sind wir von unseren Seen in Deutschland in Frühjahr und Herbst andere Temperaturen gewohnt. Auch die Sicht war mit geschätzt 5 Meter eher mittelmäßig als schlecht, was uns positiv überrascht hat. Das Wrack liegt seit 100 Jahren im Wasser. Form und Struktur sind dafür noch sehr gut erhalten. Das komplette Wracks ist mit bunten Schwämmen bewachsen. Bei unserem zweiten Tauchgang konnten wir in 32 Meter Tiefe noch die zwei 15 Zentimeter Heckgeschützte betauchen, die fast vollständig erhalten und noch sehr gut erkennbar sind. Von unserem Skipper haben wir dann erfahren, dass die Cöln eines der am besten erhaltenen Wracks in Scapaflow ist.
Tauchtag 2
S.M.S. Brummer
Auch der leichte Minenkreuzer S.M.S. Brummer kam bei seinem Untergang auf der Seite zu liegen. Nach dem Abtauchen orientierten wir uns in Richtung Bug, der noch sehr gut erhalten war.
Orcas vor dem Bug
Ein Highlight dieser Bootsausfahrt gab es kurz vor Ende auf der Rückfahrt. Unser Skipper meldete sich von der Brücke mit der Ansage "Orcas, Orcas". Tatsächlich schwammen vor unserem Bug in einiger Entfernung mehrere Tiere. Geistesgegenwärtig hat Lutz mit 600 mm Teleobjektiv draufgehalten und die Tiere aus nächster Nähe fotografieren können.
Tauchtag 3
S.M.S. Kronprinz Wilhelm
Eines der größten Schiffe auf dem Schiffsfriedhof von Scapaflow ist die S.M.S. Kronprinz Wilhelm. Namensgeber des Schiffes war Prinz Wilhelm von Preußen, Sohn von Kaiser Wilhelm II. und Thronfolger des Deutschen Reiches. Aufgrund des Thronverzichts des Kaisers zum Ende des 1. Weltkrieges wurde er niemals Kaiser.
Das Schiff ist 174 Meter lang, verdrängte mehr als 25.000 Tonnen Wasser und hatte eine Besatzung von 1139 Mann. Auch die S.M.S. Kronprinz Wilhelm wurde am 21. Juni 1919 durch die eigene Besatzung unter dem Internierungskommandanten Kapitänleutnant Becker mit dem Rest der Deutschen Flotte in der Bucht von Scapaflow versenkt.
Tauchgang
Das Wrack liegt in 38 Meter Tiefe auf Grund. Der Kiel liegt oben, das Schiff hat sich beim Sinken fast vollständig gedreht. Beim Aufschlag auf den Grund wurden die Aufbauten in den Boden gerammt und zu großen Teilen zerschmettert. Die Geschütze des Schiffes "hängen" daher kopfüber am Deck, das sich nun unten befindet, während der Kiel oben ist. Man kann unter das überhängende Deck tauchen. Form und Struktur des Schiffes sind auch nach mehr als 100 Jahren unter Wasser noch sehr gut zu erkennen.
Unser Tauchschiff, die MV Karin lag den ganzen Vormittag an der Position der Kronprinz, so dass wir zwei Tauchgänge zum Wrack unternehmen konnten.
Fazit
Von unserem einwöchigen Urlaub sind jeweils zwei Tage für Hinreise und die Rückreise gebraucht worden. Vier Tage waren wir dann in Stromness auf der Hauptinsel der Orkneys, von wo aus die Tauchausfahrten mit der MV Karin durchgeführt wurden. Insgesamt konnten wir drei Tauchtage mit jeweils zwei Tauchgängen machen. Bei den sechs Tauchgängen unserer Tour konnten wir drei von den sieben dort liegenden Großschiffen betauchen. Die Tauchgänge führten durchweg in Tiefen jenseits der 30 Meter, mit allen Konsequenzen die das für Luftverbrauch und Deko hat.
Neben dem Tauchen konnten wir während eines Tankstopps unseres Tauchschiffs auch einen kurzen Abstecher in Scapaflow Flottenmuseum auf der Insel Hoy machen. Die Woche in Schottland war eine tolle Erfahrung und verlangt eigentlich nach einer Fortsetzung.
Schiffsfriedhof von Scapaflow
Auf den Orkney Inseln an Nordspitze Schottlands liegen in der Bucht von Scapaflow die Reste der Deutschen Hochseeflotte aus dem 1. Weltkrieg. Wir haben die Reise gemacht und sind abgetaucht.
S.M.S. Cöln
Der erste Tauchtag führte uns zweimal hinunter zum Wrack der S.M.S. Cöln in 35 Meter Tiefe. Beeindruckend waren die noch gut erhaltenen Geschütze.
Orcas vor dem Schiff
Bei der Rückfahrt vom Tauchgang an der S.M.S. Brummer gab es eine Begegnung der besonderen Art: Orcas vor unserem Schiff. Lutz hat mit 600 mm Teleobjektiv draufgehalten.
S.M.S. Kronprinz Wilhelm
Das beeindruckendste Wrack unserer Tour stand am letzten Tauchtag auf dem Programm: das Linienschiff S.M.S. Kronprinz Wilhelm liegt kopfüber in 38 Meter Tiefe und ist gut erhalten.